Das Kreuz mit der Zielvereinbarung

Patricia Koller/ Februar 3, 2018/ Artikel

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Nach der Zielvereinbarung wird der Bescheid für das Persönliche Budget für Schwerbehinderte erstellt. Ohne Zielvereinbarung mit der zuständigen Behörde gibt es kein Budget. Klingt einfach, ist es aber nicht, denn was tun, wenn man sich partout nicht einigen kann, weil der Sachbearbeiter alles boykottiert?

Wenn alles Diskutieren gar nichts bringt (ja, diese Fälle gibt es leider), dann muss man sich tatsächlich zur Unterschrift einer Zielvereinbarung, die einem gar nicht passt, erpressen lassen, um seinen Rechtsanspruch auf das PB durchsetzen (lassen) zu können.

Mit der erpressten Zielvereinbarung kann man ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren beim Sozialgericht anstrengen. (Das darf man selbst einreichen und braucht dafür nicht zwingend einen Anwalt für Sozialrecht und da sich davon die meisten mit dem PB sowieso nicht auskennen, würde ich mittlerweile allen, die keinen engagierten Anwalt haben, empfehlen, das selbst zu machen.)

Natürlich ist die erpresste Vereinbarung weder ein Ziel noch eine Vereinbarung im herkömmlichen Sinne, aber man kann danach (!) noch Klage gegen die Zielvereinbarung einreichen. Klingt umständlich, ist es auch. Aber so will es das Gesetz derzeit und das ist momentan die einzige Möglichkeit, diese Barriere zu umgehen, wenn man es mit hinterhältigen Sachbearbeitern zu tun hat, die alles blockieren.

Anmerkung: Ich finde es höchst befremdlich, dass Betroffene ihre höchstpersönlichen Probleme mit Sachbearbeitern (!) diskutieren müssen, die von Erkrankungen keine Ahnung haben und dass den Leistungsberechtigten ausgerechnet diese ahnungslosen Leute vorschreiben wollen, wie sie mit ihrer Behinderung umzugehen haben.

Anwälte sind bei den Budget-Konferenzen sehr ungerne gesehen. Da friert augenblicklich die Hölle zu und die nächste Eiszeit bricht an. Ich rate trotzdem dazu, wenn es Euch irgendwie möglich ist. Ein Anwalt zu Beginn spart viel Ärger für die kommende Zeit. Vielleicht findet man auch mal einen korrekten Assistenzdienst, der einem bei den Verhandlungen hilfreich zur Seite springt (immerhin verdient er ja im Anschluß am Ergebnis und sollte schon deshalb motiviert sein).
Eine meiner politischen Forderungen geht darum, dass von Anfang an juristische Hilfe garantiert werden muss, so lange wir einen derartig unübersichtlichen Paragraphendschungel haben, in dem jedes Bundesland einen anderen Behördenirrsinn am Galoppieren hält. Wer so eine hoch komplizierte Gesetzeslage für eine Menschengruppe schafft, die häufig wehrlos ist, muss auch dafür sorgen, dass die Gesetze korrekt umgesetzt werden. Es kann nicht angehen, dass ausgerechnet die Leistungsberechtigten unter diesem Wirrwarr zu leiden haben, weil die Sachbearbeiter weder willens noch in der Lage sind, kompetent zu informieren und beraten, was aber zu ihren glasklaren PFLICHTEN gehören würde.

Man muss leider auch bei einem Verfahren vor Gericht damit rechnen, dass einen die Rechtsschutzversicherung wegen der Kosten aus dem Vertrag kickt, wenn die Behörden besonders bockbeinig sind. Das ist aber KEIN Grund aufzugeben, dann kann man auch noch alleine weitermachen …

… und gewinnen.

Allerdings muss man sich umfangreich schlau machen und jede Menge Gesetzestexte instensiv studieren.
Das alleine ist aber schon reichlich unfair, denn dazu ist nun eben nicht jeder Leistungsberechtigte in der Lage. Der Gesetzgeber lässt hier eiskalt die Menschen im Stich, die hilfsbedürftig sind und zumeist krankheitsbedingt ohnehin schon kaum noch die Kraft haben, zu kämpfen.

Fazit: Man muss also erst auf die Erpressung der Behördenmitarbeiter eingehen und selbst die allerschwachsinnigste „Zielvereinbarung“ unterschreiben, die sich ein Sachbearbeiter aus den Fingern gesogen hat. Ab dann kann man sich vor Gericht erfolgreich dagegen wehren.

So irre das klingt, so verrückt ist es auch tatsächlich.

Im Idealfall würde man als Mensch mit einer Behinderung natürlich an wohlwollende Sachbearbeiter geraten, die einen umfangreich informieren und korrekt beraten. Anschließend würden sie zusammen mit den Betroffenen eine passende Zielvereinbarung formulieren. Leider passiert das aber eben allzuoft nicht auf diese Weise. Häufig werden „Ziele“ von fiesen Sachbearbeitern diktatorisch so vorgegeben, dass sich die Leistungsberechtigten damit möglichst unwohl fühlen, um sie dazu zu bewegen, ihren Rechtsanspruch aufzugeben, weil ihnen viel zuviele Hürden in den Weg gestellt werden, über die sie stolpern sollen.

Tragikomisch ist bei all dem Behördenirrsinn, dass bei allen Zielvereinbarungen (zumindest beim Bezirk Oberbayern) Punkt 1 IMMER fester Bestandteil der Vereinbarung ist:

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1. Ziele des Persönlichen Budgets

Ziel der Hilfegewährung in Form eines Persönlichen Budgets ist es, Ihnen ein möglichst SELBSTBESTIMMTES Leben zu ermöglichen.
Das heißt, Sie bestimmen selbst, welche Leistungen im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen Sie zur Erreichung der Ziele in Anspruch nehmen wollen und wer diese Leistungen erbringen soll.

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Leider kapieren die meisten Sachbearbeiter und ihre Vorgesetzten aber offensichtlich genau den Teil mit der SELBSTBESTIMMUNG nicht und machen aus dem Persönlichen Budget für Schwerbehinderte die maximale Knechtung und Gängelung!

Eines kann man leider mit Sicherheit sagen: Barrierefrei sind diese Antragsverfahren nicht. Mit dem neuen BTHG werden sie sogar noch umfangreicher und umständlicher.

Infos zum Persönlichen Budget für Schwerbehinderte auf den Seiten des BMAS:

https://www.bmas.de/DE/Themen/Teilhabe-Inklusion/Persoenliches-Budget/Fragen-und-Antworten/faq-persoenliches-budget.html

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