Frauenkampftag 2022
Gastrede zum Thema „Sexuelle Gewalt“ am Frauenkampftag 2022 auf dem Odeonsplatz in München.
Es war eiskalt und sehr windig, deshalb enthält das Video leider mehrere Tonstörungen.
Triggerwarnung: Sexuelle Gewalt, Suizid
Frauen mit Behinderungen sind doppelt so häufig Opfer von Gewalt wie Frauen ohne Behinderung und nahezu dreimal so oft Opfer von sexueller Gewalt.
Meine – vom Hals abwärts gelähmte – Freundin Stephanie wurde in einem Pflegeheim von einem Pfleger missbraucht. Das hat die sehr religiöse und widerstandsunfähige Frau so sehr erschüttert, daß sie danach versuchte, sich das Leben zu nehmen, indem sie mit ihrem elektrisch betriebenen Rollstuhl in den fahrenden Verkehr fuhr.
Sie fürchtet nichts mehr, als wieder in ein Heim zu müssen. Lieber erträgt sie Hunger und Durst durch lückenhafte Versorgung sowie schlechte und gefährliche Pflege in ihrer Wohnung. Obwohl sie stets darauf hinweist, daß sie KEINE MÄNNER als Pflegekräfte haben möchte, mutet man ihr seit Jahren – wegen des auch bei den Pflegediensten fortschreitenden Pflegenotstands – immer wieder MÄNNER zu. Stephanie wird dann lieber nicht gewaschen und zur Toilette gebracht, als deren körperliche Nähe ertragen zu müssen. Es ist für sie extrem ekelhaft, ihren Schweiß zu riechen, oder vom Bett aus ihre, sich unter der privaten Kleidung abzeichnenden, Geschlechtsteile auf Augenhöhe sehen zu müssen. Erschwerend kommt hinzu, daß die angeblichen „Fachkräfte“ vom Intensivpflegedienst oft nicht einmal wissen, wie sie mit ihrer Behinderung und ihrer Zuckerkrankheit umgehen müssen.
Die Opfer sexueller Gewalt leiden häufig lebenslang unter den Folgen. Wird eine Frau durch ein Gewaltverbrechen traumatisiert, kann es zu verheerenden Auswirkungen, wie z.B. einem Leben in Armut, der Psychiatrie oder sogar Obdachlosigkeit führen, wenn sie nicht mehr arbeitsfähig ist. Eine Gerichtsverhandlung wirkt retraumatisierend, selbst wenn der Vergewaltiger verurteilt wird. Die Nerven haben viele nach so einem Erlebnis nicht und zeigen deshalb die Täter gar nicht erst an. Den Aids-Test nach der Vergewaltigung muss das Opfer selbst bezahlen und auch für die Pille danach, die eine Schwangerschaft verhindern soll, muss die Frau aufkommen.
Ein Baby vom Täter würde sie ein Leben lang an die Tat erinnern. Sie könnte es weder austragen noch jemals lieben.
Die Politik sieht dieses Problem offenbar als „Privatvergnügen“.
Eine Schutz-Unterbringung einer, durch das Verbrechen obdachlos gewordenen, Frau in einem Frauenhaus ist nicht möglich, da dies Opfern häuslicher Gewalt vorbehalten ist. D.h. die Täter müssten Partner oder Ex-Partner sein.
Zu der Stigmatisierung, die Menschen mit psychischen Erkrankungen erleiden, kommt auch noch der Papierkrieg mit den Behörden, der über die, ohnehin nervlich völlig überlasteten, Frauen hereinbricht. Ohne Behördenbescheid lässt sich Armut nicht nachweisen und so bekommen sie dann nicht mal bei den Tafeln Hilfe. In vielen deutschen Behörden weht auch heute noch ein brauner Wind und wenn man dort auch noch von einem männlichen Sachbearbeiter oder giftigen Weibern angeschrien und eingeschüchtert wird, macht sich Panik breit. In dieser – seelisch schwer verletzten – Situation liegen die Nerven blank. Frisch traumatisiert hat man in der Regel nicht die Kraft, jahrelang vor Gericht zu ziehen, um zu seinem Recht zu kommen. Man möchte sich verkriechen und in Ruhe weinen. Jedes Aus-dem-Haus-gehen kostet enorme Kraft. Selbst ein kleiner Einkauf im Supermarkt wird zur Heldentat. Die erniedrigenden Behördengänge, bei denen man sowohl die finanziellen Verhältnisse als auch sämtliche gesundheitlichen Daten offenlegen muss, – d.h. sich vor FREMDEN völlig nackt machen, sind eine Qual. Zu wissen, daß Sachbearbeiter usw. nun den Akteninhalt lesen, über die Vergewaltigung Bescheid wissen und sich dazu sowohl eine eigene Einschätzung als auch Kommentare erlauben, belastet zusätzlich. In Oberbayern ist Datenschutz eine äußerst durchlässige Angelegenheit. Hier haben selbst grober Datenmissbrauch und üble Manipulation der Akten keinerlei Folgen für unseriöse Behördenmitarbeiter.
Die Gesellschaft spuckt Dich aus, wenn Du zum Opfer wirst. Man entzieht Dir den Respekt. Du bist weitgehend auf Dich alleine gestellt. Ohne Umfeld, das Dich auffängt, bist Du im freien Fall unterwegs. Hilfen gibt es kaum und oft fehlt den Mitmenschen die nötige Sensibilität, mit diesem Thema umzugehen. Erstaunlicherweise ist das auch häufig bei Frauen so.
An dieser Stelle möchte ich auch an Susanne Preusker erinnern, die anfangs an einer psychiatrischen Klinik und später in Justizvollzugsanstalten als Psychotherapeutin tätig war. In Bayern leitete sie eine Abteilung für Sexualstraftäter. Sie wurde von einem verurteilten Frauenmörder in ihrem Büro überwältigt, als Geisel gefangengehalten und über sieben Stunden hinweg immer wieder vergewaltigt.
Sie konnte danach ihren Beruf nicht mehr ausüben.
Frau Preusker schrieb ein Buch über die Tat…
Jahre später hat sie sich umgebracht.
Ich denke noch oft an sie. Immer, wenn über die weiteren Chancen, die die Täter auf ein normales Leben haben sollen, diskutiert wird.
Wir fordern besseren Opferschutz und mehr Unterstützung für die OPFER von Gewaltverbrechen!
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